"Tolkien hatte die Vision, Jackson und sein Team versuchen, sie zu verwirklichen." – Grant Major
Mittelerde, die Heimat von Hobbit Frodo und seinen Gefährten, ist ein mythischer Kontinent mit phantastischen Landstrichen, gewaltigen Städten, tiefen Wälder und gigantischen Bergen. Um diese Welt, die von Tolkien vor über 80 Jahren erfunden wurde, auf die Leinwand zu bannen, wäre Regisseur Peter Jackson am liebsten mitsamt seiner Crew direkt nach Mittelerde gereist, um dort an den Originalschauplätzen zu drehen. Wie die Dreharbeiten in dieser Welt dann aussehen würden, beschrieb er im August 1998 bei http://www.aintitcoolnews.com:
"Stellt Euch vor: 7000 Jahre sind vergangen. Wir bringen eine Filmcrew zu Helms Klamm... Die Festungsanlage sieht verwittert aus, ist aber immer noch überwältigend und wehrhaft. Die Jungs vom Art Department fangen sofort an, füllen Löcher aus, entfernen Hinweisschilder für Touristen. Der jetzige Besitzer ist ein harter Brocken, aber schließlich bekommen wir durch das Geld von New Line die Erlaubnis, sechs Wochen lang zu filmen. Die Feldzeichen von Rohan werden sorgfältig rekonstruiert. Théodens Sattel ist in einem Museum – er ist viel zu wertvoll, um im Film verwendet zu werden, aber eine getreue Kopie wird angefertigt. Archäologen haben einen unglaublich gut konservierten Uruk-hai entdeckt und ausgegraben. Wir lassen eine Kopie von dieser heimtückischen Kampfmaschine herstellen und machen aus ihr mit Hilfe der modernen Technik ein 10.000 Mann starkes Uruk-Heer. Wir haben Schauspieler ausgesucht, die Aragorn und Théoden ähnlich sehen. Und ein erstaunlicher Coup ist uns gelungen! Legolas hat sich bereit erklärt, zusammen mit Gimli von Valinor herüber zu kommen, um nochmals ihre Rollen in dieser filmischen Rekonstruktion der Ereignisse am Ende des Dritten Zeitalters zu übernehmen. Sie stehen auf dem Klammwall, der Wind bläst ihnen durchs Haar und sie führen eine Statistentruppe an, welche die tapferen Soldaten aus Rohan verkörpern... Uruk-Trommeln dröhnen das Tal hinauf... riesige Lichtmaschinen simulieren Blitze... Wassertürme schleudern Tonnen von Wasser in die Höhe... der Regieassistent gibt das Signal und zwanzig 35mm-Kameras beginnen gleichzeitig zu drehen ... Die Schlacht um Helms Klamm wird auf Film gebannt."
Doch leider existierte Mittelerde vor der Filmtrilogie nur in den Köpfen der Abermillionen Leser. Peter Jackson und seiner Crew blieb nichts anderes übrig, als Mittelerde schlicht und einfach nachzubauen. Ruinen, Städte, Schlachtfelder mussten in der passenden Umgebung errichtet werden. Und genau diese Umgebung bietet Neuseeland im Südpazifik – das Heimatland von Peter Jackson.
Neuseeland verfügt sowohl über die alpinen Gebirge als auch die Grassteppen und die urwüchsigen Wälder, die von J.R.R. Tolkien in seinem Roman beschrieben werden. Kaum ein Land bietet in seiner Naturbelassenheit und dem landschaftlichen Abwechslungsreichtum auf engstem Raum so hervorragende Möglichkeiten für einen Fantasy-Film. Dies hatte 1988 schon George Lucas erkannt, als er seine Tolkien-Anleihe WILLOW vor neuseeländischer Szenerie drehte. Und auch die Fantasy-Serien XENA und HERCULES wurden in Neuseeland produziert.
Für DER HERR DER RINGE wurden während der 18-monatigen Dreharbeiten insgesamt 340 Sets an 150 Locations im ganzen Land aufgebaut. Die Dreharbeiten waren eine logistische Herausforderung, wie sie die Filmwelt selten erlebt hat. Straßen und Brücken mussten nur für die Filmproduktion errichtet werden. Die Crew hatte mit Schneestürmen, Überschwemmungen und Erdbeben zu kämpfen. Und an manchen Tagen waren bis zu 20.000 Statisten am Drehort, was vom Aufwand her einer militärischen Operation gleich kam.
Doch zunächst einmal mussten die richtigen Orte gefunden werden. Peter Jackson wollte die Filmstudios in Wellington so oft es nur ging verlassen und in bestehender Umgebung drehen. "Von Anfang an wollten wir, dass der HERR DER RINGE realistisch wirkt, als ob Mittelerde ein echter historischer Ort ist", erläutert Location-Berater Matt Cooper, "dann hat es epische Breite und dieses gewisse Greifbare. Das bekommt man nur hin, wenn man wirklich vor Ort filmt. Die Darsteller können diese Authentizität besser spielen, wenn sie wirklich in Lórien stehen oder den Caradhras wirklich überqueren."
Monatelang durchquerte das Team unter Leitung des Location-Scout Dave Comer mit Jeeps und Hubschraubern Neuseeland. Sie streiften durch Wälder, Naturparks und Sümpfe, um den perfekten Landstrich für Rohan, das Nebelgebirge, Mordor oder das Auenland zu finden.
Zeitgleich begann die kreative Arbeit. Supervising Art Director Dan Hennah und Set-Designer Grant Major hatten schon bei den Produktionen HEAVENLY CREATURES und THE FRIGHTENERS mit Regisseur Peter Jackson zusammengearbeitet, aber diese Trilogie ist nach eigenen Angaben ihre größte Herausforderung. Ihr Ziel ist es, J.R.R. Tolkiens phantastische Erzählungen Wirklichkeit werden zu lassen. "Es ist wichtig, ein einzigartiges Aussehen für Mittelerde zu gestalten, ein Aussehen, das ein Gefühl für die Vergangenheit und die Tiefe dieser Orte vermittelt", erzählt Grant Major im Interview mit dem Entertainment-Magazin E!Online. "Die Sets müssen glaubwürdig sein, erst dann glauben wir an die Charaktere und die Erzählung und geben uns der Illusion hin, dass diese Orte ihre eigene Vergangenheit haben."
Unterstützt wurden Hennah und Major bei ihrer Arbeit von den renommierten Tolkien-Künstlern Alan Lee und John Howe, die sich beide schon seit Jahren mit Tolkiens Geschichten beschäftigen. Beide zeichneten sich bereits für unzählige Kalender, Buchcover und Illustrationen verantwortlich. "Alans und Johns Beiträge zu diesem Projekt sind grundlegend für unsere Arbeit", so Major. "Sie haben uns das Gespür für das Aussehen von Mittelerde vermittelt und besitzen eine Menge Wissen über Tolkiens Werk."
Ebenso wie Tolkien selbst ließen sich die beiden Künstler bei den Entwürfen stark von real existierenden Stilrichtungen leiten. Bei den Gebäude der Elben erkennt man eine starke Beeinflussung durch den Jugendstil und die Krieger von Rohan bewegen sich in einem frühen skandinavischen Ambiente. "Wir haben schon vor drei Jahren, bevor das Projekt überhaupt besiegelt wurde, mit dem Design begonnen, während Peter und Fran [Walsh] die ersten Drehbuch-Versionen entwarfen", so Major.
Nach den Entwürfen der beiden Künstler wurden die Designs dann von Grant Major umgesetzt. Wo dies nicht direkt möglich war, wie etwa bei Landschaften, ging der Entwurf zu den Modellbauern bei WETA-Workshop. Nach Vorgabe der Skizzen fertigten sie Modelle im Maßstab 1:100, die Peter Jackson dann präsentiert wurden. Mit einer kleinen Fingerkamera prüfte Jackson, ob das Set filmtechnisch funktionierte. Dann ging es zurück zum Zeichenbrett. Alle Fehler wurden ausgebügelt und schließlich das Set in viele Teile zerlegt, die jeweils am Computer oder als Modell realisiert oder direkt vor Ort aufgebaut wurden. "Sie hatten dafür einen hochentwickelten Produktions-Ablauf; sehr kompliziert", verrät John Howe.