och nie war die Geheimhaltungsstufe bei einem Filmprojekt so hoch wie bei der Verfilmung von DER HERR DER RINGE. Von der Filmproduktionsfirma New Line Cinema wurden im Vorfeld kaum Informationen rausgegeben, und alle Personen, die an der Produktion beteiligt waren, ob Statisten oder Techniker, mussten sogenannte "Confidential Agreements" unterschreiben. Das sind Verträge, in denen sie versicherten, über nichts zu sprechen, was sie während der Produktion gehört, gesehen oder getan haben. Auch die Designs der wichtigsten Kreaturen, wie dem Balrog oder von Gollum, werden strengstens unter Verschluss gehalten.
Doch so leicht ließen sich die Tolkien-Fans nicht abwimmeln. Das Bedürfnis nach Informationen und Bildern von Sets und Designs war so hoch, dass eine regelrecht kriminelle Energie entwickelt wurde, um über Umwege an das gewünschte Material zu kommen. Einige Fans kletterten nachts mit Fotoapparaten über den Sicherheitszaun des Bree-Sets, während ihre Freunde den Nachtwächter ablenkten. Andere Fans mieteten sich Hubschrauber, um das abgelegene Hobbingen-Set aus der Luft zu fotografieren. Das Internet leistete die restliche Arbeit. In wenigen Stunden ging jedes Foto einmal um die ganze Welt – die Datenautobahn macht es möglich. Die Produktionsfirma New Line Cinema wurde von der Begeisterung der Tolkien-Fans regelrecht überrumpelt. Der Sicherheitsaufwand wurde enorm erhöht. Die Drehorte wurden gleich von einer ganzen Schar Sicherheitsmänner bewacht.
Drei Security-Firmen arbeiteten rund um die Uhr, um Fans und Paparazzi fern zu halten. Doch die besten Sicherheitsmänner nützen nichts, wenn die Sets von der Straße oder dem benachbarten Gelände aus einsehbar sind. So war es der Geheimhaltung nicht gerade förderlich, dass die Festung von Helms Klamm in einem Steinbruch errichtet worden war, der nur einige Meter von Neuseelands wichtigster Hauptverkehrsstraße entfernt lag. Heute gehört dieses Set wohl zu den meist fotografiertesten der Filmgeschichte. Täglich tauchten neue Fotoserien von Fans im Internet auf, die zu diesem Drehort gepilgert waren.
Als die Kulisse für das Set der Stadt Minas Tirith umgebaut wurde, hatte die Filmcrew dazu gelernt und errichtete die Kulissen so, dass man von der Straße nur die Rückseiten erkennen konnte. Doch auch die Kulissen-Rückseiten stellten sich als ein begehrtes Foto-Objekt heraus.
Der Wachaufwand wurde weiter verstärkt, aber erneut erwies sich ein Fan als schlauer. Extra wegen der Produktion nach Neuseeland gezogen, ließ er sich vom Wachdienst anheuern und arbeitete von nun an direkt am Set. Immer wieder steckte er Requisiten ein und schoss unzählige Fotos. In seiner Wohnung richtete er damit einen regelrechten Tolkien-Schrein ein. Doch bevor er etwas von dem Material im Gesamtwert von 107.000 EUR veröffentlichen konnte, flog die Sache auf. New Line Cinema ließ den fanatischen Fan sofort verhaften. Das neuseeländische Gericht verdonnerte ihn zu 250 Sozialstunden.
Doch es sollte noch dicker kommen. Nachdem New Line Cinema mehrere Ebay-Auktionen hatte stoppen lassen, bei denen vermeintliche Requisiten und Filmmaterial auf Videokassetten versteigert worden waren, wurden im Juli 2000 drei weitere Mitarbeiter der Filmproduktion verhaftet. Aus profaner Geldgier hatten sie Videokassetten mit Hunderten von Szenenaufnahmen, Drehbücher, Requisiten und Kostüme gestohlen. Die Polizei von Wellington gab sich als vermeintliche Interessenten aus und kaufte zunächst eine Minute des Filmmaterials für umgerechnet 5.000 EUR. Danach verabredeten sie sich mit dem Verkäufer in einem Hotel in Auckland, Neuseeland um die restlichen beiden Bänder (90 Minuten und 45 Minuten lang) für umgerechnet 95.000 EUR zu erwerben. Am 24. Juni 2000 schlug die Polizei zu. Im Haus des Täters wurden 17 weitere Videokassetten gefunden.
Diese Beispiele demonstrieren, wie groß das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Informationen zum HERR DER RINGE damals war, denn bei den meisten Lesern hat der Roman einen prägenden Eindruck hinterlassen und gehört in die Riege der Lieblingsbücher. Dennoch wollte New Line Cinema verständlicherweise eine Übersättigung im Vorfeld verhindern, zeigten doch Marketing-Beispiele aus der Vergangenheit, dass ein zu großer Medien-Hype im Vorfeld einem Film auch schaden kann. Spätestens, wenn das Thema in allen Fernsehsendungen rauf und runter läuft, tritt ein vorzeitiger Überdruss-Effekt ein. Außerdem werden die Erwartungen in unerreichbare Höhen getrieben, sodass es den Filmemachern irgendwann unmöglich wird, diese überhaupt noch zu befriedigen.